Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

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Datum 16.05.2023 IB-Green: klimaangepasste und zukunftsfähige Industrie- und Gewerbegebiete

Interview mit Hélène Rizzotti vom Klima-Bündnis über das Projekt IB-Green

Industriegebiet
Quelle: Unsplash – Eugenia Clara

Das Interreg-Projekt IB-Green befasst sich mit der Frage, wie bestehende Industrie- und Gewerbegebiete in Nordwesteuropa an die Folgen der Klimakrise angepasst werden können. Das Projekt enthält eine Förderung aus dem Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit, da das Thema von besonderem Bundesinteresse ist. Dank der Unterstützung kann eine breite Aufmerksamkeit für dieses Thema auf nationaler als auch auf europäischer Ebene geschaffen werden.

Worum geht es in dem Projekt IB-Green?

IB-Green hat zum Ziel, Hitzestress in bestehenden Industrie- und Gewerbegebieten durch Entwicklung grün-blauer Infrastruktur zu reduzieren. Industrie- und Gewerbegebiete nehmen in Nordwesteuropa 15-20 Prozent der Siedlungsfläche ein. Stark versiegelt tragen sie zur Erhöhung des Hitzestresses in urbanen Gebieten bei. Lokale Begrünungs- und Anpassungskonzepte zielen nur selten auf das Potenzial von grün-blauer Infrastruktur in Industrie- und Gewerbegebieten zur Klimaanpassung und Verbesserung der biologischen Vielfalt ab. Hindernisse sind mangelnde Kenntnisse, komplexe Anforderungen und die notwendige Einbeziehung von Unternehmen. Bestehende Industrie- und Gewerbegebiete müssen dringend nachhaltig umgestaltet werden, um Klima- und Wirtschaftsrisiken für Unternehmen und Städte zu verringern. Das Klima-Bündnis leitet das Projekt, an dem elf Institutionen aus sechs Ländern in Nordwesteuropa (Belgien, Deutschland, Frankreich, Irland, Luxemburg und den Niederlanden) beteiligt sind. Es startete im März 2023.

Was ist Ihre persönliche Motivation für die Zusammenarbeit an diesem Thema?

Industrie- und Gewerbegebiete wurden in den letzten 50 Jahren in großer Zahl gebaut, ohne jemals die Auswirkungen ihrer Existenz auf das Klima zu berücksichtigen: Vor 50 Jahren stand der Klimaschutz nicht wirklich im Vordergrund.

Da ich in Nordwesteuropa aufgewachsen bin, war ich es gewohnt, die riesigen Industriekomplexe zu sehen und sogar Zeit dort zu verbringen. Damals war es mir nicht bewusst, aber diese betonierten Orte, wo Grau die Hauptfarbe ist – asphaltierter Boden, Gebäude, Dächer, Parkplätze – sind unglaubliche Wärmeinseln. Ihre Größe und Bedeutung in unserer Gesellschaft und Wirtschaft machen sie enorm wichtig: Wir reden hier nicht von ein paar Quadratmetern, sondern von 15 bis 20 Prozent der bebauten Fläche in Nordwesteuropa! Und trotzdem sprechen wir kaum über die Anpassung dieser Gebiete an die Klimakrise. Ich hoffe, dass die Arbeit der Partner des IB-Green-Projekts der Anfang für eine breite Diskussion zu diesem Thema sein wird.

Was bringt das Projekt für Ihre Region?

Grün-blaue Infrastruktur wird in Nordwesteuropa zunehmend für Wohn- und Mischgebiete entwickelt und umgesetzt, jedoch kaum für Industrie- und Gewerbegebiete. IB-Green wird bestehende erfolgreiche Maßnahmen an die Bedürfnisse von Industrie- und Gewerbegebieten anpassen und mit innovativen Ansätzen zur Aktivierung privater Eigentümer verbinden.

Die Transformation bestehender Industrie- und Gewerbegebiete durch grün-blaue Infrastruktur wird die negativen Klimaauswirkungen auf Unternehmens- und Stadtebene verringern und zu einer ausgewogeneren territorialen Entwicklung beitragen: Der Natur in Industrie- und Gewerbegebieten wird wieder mehr Raum gegeben. Das bedeutet nicht nur, den Hitzestress und das Überschwemmungsrisiko zu verringern, sondern auch die Arbeits- und Lebensbedingungen von Tausenden von Menschen zu verbessern, die täglich in diesen Gebieten arbeiten und leben. Die Verbesserung der Luftqualität und der Arbeitsbedingungen fördert eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, zieht Unternehmen an und verhindert finanzielle Verluste.

In Deutschland werden die Projektpartner – das Klima-Bündnis, das Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, der Wissenschaftsladen Bonn und die Stadt Singen (Hohentwiel) – ihre Expertise im Bereich Klimaanpassung bündeln und ihre Netzwerke aus Kommunen, Fachbehörden und Unternehmen nutzen, um Akteure zu motivieren und zu aktivieren, die Klimaresilienz durch die Implementierung von grün-blauer Infrastruktur in bestehenden Industrie- und Gewerbegebieten zu erhöhen. Die Partner werden deutsche Kommunen ganzheitlich bei allen notwendigen Schritten beraten, Planspiele für Logistikparks entwickeln oder regionale Schulungsmaßnahmen zum Thema für Kommunen, Handelskammern, Unternehmen und Betreiber von Gewerbegebieten durchführen. Die Stadt Singen möchte als Pilotaktion den ältesten Teil ihres Industriegebiets auf nachhaltige Weise umgestalten. Eines der Ziele ist es, die versiegelten Flächen im öffentlichen Raum des Industriegebiets zu reduzieren und einen ständigen Dialog mit den in Singen ansässigen Unternehmen zu führen.

Warum ist es wichtig, dieses Projekt europäisch umzusetzen?

Die verschiedenen Partner des Projekts kommen aus der Verwaltung, Wirtschaft und angewandter Forschung aus allen Ländern Nordwesteuropas und haben komplementäre Erfahrungen und Ideen für die Umsetzung von grün-blauer Infrastruktur. Die transnationale Partnerschaft bringt sich ergänzende Kompetenzen ein: umfassendes Wissen über städtischen Hitzestress und grüne Infrastruktur, Ausarbeitung von Bildungsinstrumenten für klimaangepasste Gewerbegebiete, Umsetzung von Pilotprojekten auf kommunaler Ebene, Ergebnistransfer und Öffentlichkeitsarbeit in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Ziel des EU-Projekts ist es, diese Erfahrungen zu bündeln, um gemeinsam eine transnationale Strategie für mehr grün-blaue Infrastruktur in bestehenden Industrie- und Gewerbegebieten zu entwickeln und umzusetzen. Die Umsetzung auf europäischer Ebene ermöglicht den Partnern, von den bewährten Praktiken anderer Partner zu profitieren und die Übertragbarkeit von Lösungen von einem Land auf ein anderes zu diskutieren.

Vervollständigen Sie: Wenn das Projekt IB-Green gelingt, werden in zehn Jahren….

Ich wünsche mir, dass es in zehn Jahren unmöglich geworden ist, auch nur ein einziges Dach in einem Industrie- und Gewerbegebiet leer und ungenutzt zu lassen. Vielmehr sollten ausnahmslos alle Dächer mit Sonnenkollektoren und/oder Grünflächen bedeckt sein.

Hélène Rizzotti

Foto von Hélène Rizzotti

Hélène Rizzotti arbeitet seit fast 10 Jahren als Projektmanagerin für Umweltprojekte und hatte die Gelegenheit, sich mit unterschiedlichen Themen wie nachhaltige Landwirtschaft und Fischerei sowie Klimaanpassung zu beschäftigen. Heute ist sie Projektkoordinatorin beim Klima-Bündnis.