Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

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Datum 07.03.2023 „Aus Landessicht hat das Interreg-Projekt REIF die Aufmerksamkeit von Politik und Gesellschaft für die Bedeutung des Schienenverkehrs und die Verkehrs- und Energiewende geschärft.“

Interview zu den Ergebnissen des Interreg-Projekts „REIF“ mit Susanna Karawanskij, Thüringer Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft

Zu revitalisierende Ohratalbahn zwischen Gotha und Ohrdruf nach dem Freischneiden
Quelle: Steffen Müller, Railsystems RP GmbH

Die Thüringer Landesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag der Wahlperiode (2014 – 2019) darauf verständigt, den Schienengüterverkehr auszubauen und in einem Dialog zwischen Verwaltung und Logistikunternehmen Strategien für die Verlagerung von Gütern auf die Schiene zu entwickeln. Seit 2019 arbeitet das EU-geförderte Interreg-Projekt „REIF“ (REgional Infrastructure for railway Freight transport – revitalised) an entsprechenden Lösungen. Das Projekt hatte eine Laufzeit vom 1. April 2019 bis zum 31. März 2022 und wurde unter Leitung des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft von zehn Institutionen aus sechs mitteleuropäischen Mitgliedsstaaten durchgeführt.

Worum ging es in dem Projekt „REIF“?

Das Grundanliegen des REIF-Projekts war es, die regionalen Zugangsbedingungen zum Schienennetz für den Güterverkehr zu verbessern und damit die Voraussetzungen für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu schaffen. Thüringen verfügt zwar über eines der dichtesten Schienennetze in Deutschland; jedoch ist der Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Güterverkehrsaufkommen deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt (nur ca. 25 %). Daher ist es für uns von großer Bedeutung, dem Güterverkehr einen besseren Zugang zum Schienennetz zu eröffnen und auf diese Weise einen Beitrag zum Klimaschutz im Verkehrssektor zu leisten.

REIF hat verschiedene Instrumente zur Analyse der regionalen Potenziale für den Schienengüterverkehr entwickelt und ermittelt, wo Infrastruktur-, Angebots- und Innovationsengpässe bestehen. Darüber hinaus hat REIF wirksame Maßnahmen aufgezeigt, um gefährdete Verbindungen zu erhalten oder sogar bereits geschlossene Schienenverbindungen wieder zu reaktivieren.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Projekts REIF für Thüringen?

Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat in dem Projekt, an dem insgesamt zehn Partner aus sechs Ländern Mitteleuropas beteiligt waren, die Rolle des Lead Partners übernommen. Durch die transnationale Zusammenarbeit und die Rolle des Lead-Partners konnte Thüringen das Thema Revitalisierung des regionalen Schienengüterverkehrs gut platzieren. Aus Landessicht hat das Projekt die Aufmerksamkeit von Politik und Gesellschaft für die Bedeutung des Schienenverkehrs und die Verkehrs- und Energiewende geschärft.

In überregionaler Perspektive ist von besonderer Bedeutung, dass im Rahmen des REIF-Projekts ein Maßnahmenplan für die Reaktivierung einer stillgelegten Bahnstrecke für den Güterverkehr entwickelt wurde. Dieser Plan kann als Blaupause für stillgelegte Strecken mit Güterverkehrspotenzial dienen und beinhaltet ein 3-Phasen-Modell, das auf einer Aufwand-Nutzen-Relation basiert. Bei Phase 1 (Gelegenheitsgüterverkehr) findet ein grundsätzlicher Eisenbahnbetrieb mit geringer betrieblicher Qualität statt. Phase 2 (Regelgüterverkehr) zeichnet sich durch eine Stabilisierung der Verkehrsnachfrage aus. In dieser Phase sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsqualität und Leistungsfähigkeit der Strecke eingeleitet werden. In Phase 3 (Zielphase einer Streckenreaktivierung) wird ein kombinierter Güter-Personenverkehr angeboten. Die Strecke übernimmt wieder ihre ursprüngliche Funktion der Raumerschließung. Diese Phase ist natürlich mit höheren Ansprüchen an die Betriebsdurchführung, die Zugangsstellen und die technische Sicherung verbunden.

Wie geht es nach Projektabschluss weiter und wie können die Ergebnisse zukünftig genutzt werden?

Ohratalbahn vor dem Freischneiden
Quelle: Projekt REIF

Als erste Strecke, die nach dem entwickelten Maßnahmenplan vom Betreiber reaktiviert wird, soll die Ohratalbahn zwischen Gotha und Ohrdruf noch im Jahr 2023 wieder nutzbar gemacht werden. Weitere Strecken sollen folgen. Daher nutzen wir gegenwärtig die Ergebnisse aus dem REIF-Projekt und lassen diese in unseren Masterplan „Schieneninfrastruktur 2030, Reaktivierungen und Lückenschlüsse“ einfließen. In diesem Masterplan werden die entsprechenden Potenziale und Aufwände für die regionale Weiterentwicklung des Schienennetzes in Thüringen analysiert. Der Masterplan soll die Grundlage für weitere Streckenreaktivierungen bilden.

Wie zahlte sich die transnationale Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern aus?

Alle REIF-Projektregionen standen vor ähnlichen Problemen, die nicht nur untereinander vergleichbar, sondern auch beispielhaft für die meisten mitteleuropäischen Regionen waren und sind. Zum Beispiel stellt für die meisten Regionen die zum Teil jahrzehntelange Vernachlässigung der Zubringerinfrastruktur des regionalen Schienengüterverkehrs eine gemeinsame Herausforderung dar. Zugleich waren sich alle Regionen bewusst, dass die Revitalisierung und Wiedereröffnung geschlossener Regionalgleise dazu beiträgt, dem wachsenden Straßenverkehr entgegenzuwirken und den Klimawandel zu bekämpfen. Dafür muss jedoch der regionale, nationale und grenzüberschreitende Schienengüterverkehr insgesamt attraktiver und effizienter werden.

Handel und Industrie in Europa finden auf einem transnational und international vernetzten Markt statt ebenso wie der Transport von Gütern. Daher braucht die Förderung multimodaler Transportlösungen in Europa sowohl eine transnationale als auch eine regionale Perspektive. REIF folgte von Anfang an dem Grundsatz, dass vergleichbare Probleme und Herausforderungen die Entwicklung gemeinsamer Lösungen erfordern. Gemeinsame Lösungen wiederum helfen, öffentliche Kosten einzusparen und eine höhere Effizienz zu erreichen – nicht nur für die REIF-Partner, sondern auch für andere Regionen in Mitteleuropa. Die transnationale Zusammenarbeit hat den gegenseitigen Austausch und das Lernen erleichtert. Ich hoffe, dass wir auf dieser Basis innovative Ideen entwickeln und gemeinsam die regionale und transnationale Verkehrsentwicklung verbessern können.

Haben Sie Tipps für andere Interreg-Projekte zur Nutzung einer Vorlaufförderung des Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit?

Das Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit bietet die hervorragende Möglichkeit, eine Projektidee, die im Interreg Central Europe Programm beantragt werden soll, durch eine Vorlauffinanzierung oder die Beantragung einer Projektmittel-Kofinanzierung zu unterstützen. Die Vorlauffinanzierung dient der Vorbereitung eines Interreg B-Projektantrags, die Kofinanzierung der Durchführung eines bewilligten Projekts. Antragstellende sollten sich also im Klaren sein, wofür die finanzielle Unterstützung verwendet werden soll. Zudem ist es ratsam, sich vorab zu informieren, ob Projektideen mit den thematischen Schwerpunkten des Bundes übereinstimmen.

Weiterführende Informationen

Projekt REIF
>> zur Website

Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
>> Thema Raumordnung und Landesplanung

Susanna Karawanskij

Foto von Susanna Karawanskij  (Quelle: privat)

Susanna Karawanskij ist Thüringer Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft. Zum Aufgabenbereich der Politikwissenschaftlerin gehören auch die Themen Verkehr, Regionalentwicklung und Raumordnung.