Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

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Datum 13.01.2023 „Das Nordwesteuropa-Programm braucht Kommunen und Städte als Projektpartner, um das Ziel, Regionen widerstandsfähiger zu machen, zu erreichen“

Interview mit Elisabeth Wauschkuhn über die Aufgaben als nationale Kontaktstelle des Interreg-Programms Nordwesteuropa

Elisabeth Wauschkuhn bei der Interreg-Konferenz in Berlin
Quelle: Markus Braumann, Offenblende

Deutsche Kontaktstellen beraten Projektträger insbesondere im Rahmen der Antragstellung für ein Interreg-Projekt sowie zur Projektumsetzung oder geben Ratschläge zur Übereinstimmung zwischen einer Projektidee und dem Kooperationsprogramm. Elisabeth Wauschkuhn war dreieinhalb Jahre nationale Kontaktstelle für das Interreg-Programm Nordwesteuropa und berichtet über die Herausforderungen und Erfahrungen.

Frau Wauschkuhn nach dreieinhalb Jahren als nationale Kontaktstelle für das Interreg-Programm Nordwesteuropa übernehmen Sie nun neue Aufgaben. Was hat Sie an der Aufgabe als nationale Kontaktstelle besonders gereizt?

Die Aufgabe ist sehr abwechslungsreich: Von der Beratung zu thematischen Ausrichtungen und zur Finanzierung/Förderung (eher technische Fragen, wie wir das manchmal nennen) bis hin zur Vorbereitung von Veranstaltungen, Vorträge halten und Kommunikationsaufgaben wahrnehmen (Presse, Social Media etc.) – Akteure mit guten Ideen müssen ja wissen, dass es Interreg gibt und dass es genau das richtige Programm für sie ist und dass es Kontaktstellen gibt, die weiterhelfen. Aber auch die Themen sind sehr abwechslungsreich und die Einblicke, die man gewinnt. Das Ziel der Projektakteure, des Programms und natürlich von uns Kontaktstellen ist dabei immer das gleiche: die Regionen in Nordwesteuropa stärken.

Welche Tätigkeiten und Herausforderungen sind damit verbunden?

Im ersten Schritt geht es immer ums Verstehen und das auf beiden Seiten. Zunächst einmal, muss ich die grundsätzliche Ausrichtung des Programms erläutern. Interreg ist kein Forschungsförderprogramm. Es geht um Anwendung und wir wissen alle, wie ärgerlich es ist, wenn man eine Bedienungsanleitung nicht versteht. Auf der anderen Seite sind im Interreg-Programm Nordwesteuropa ja viele Projektthemen denkbar, die zu einer grünen, gerechten und digitalen Transformation der Regionen beitragen.

Die Projektinteressierten sind in den meisten Fällen Experten in ihrem Themenfeld. Ich bin das nicht, muss aber im Gespräch beurteilen können, ob die Idee zu den Zielen des Programms passt. Genauso muss ich daran denken, dass mein Gegenüber von „Begriffen“ wie transnationale Zusammenarbeit und Territorialität, Prioritätsachsen, spezifischen Zielen oder Gemeinsamen Sekretariat im Zweifel noch nie etwas gehört hat oder zumindest nicht weiß, was sich konkret dahinter verbirgt. Es heißt also auf beiden Seiten herunterbrechen und herantasten, erklären und erläutern von Grundlagen, sodass wirklich jeder am Ende weiß, worum es geht. Das Gute ist, dass das auch immer ein guter Aha-Moment für das Ausfüllen der Antragsunterlagen ist. Da ein Begleitausschuss, in dem die Mitgliedstaaten und für Deutschland neben dem Bund auch Bundesländer vertreten sind, letztlich im Konsens über die Anträge entscheiden, ist es wichtig, dass aus dem Antrag das Thema und die Projektidee klar und deutlich hervorgehen. Der Antrag muss für sich selbst sprechen und ein „Laie“ sollte ihn verstehen können.

In der aktuellen Förderperiode spielt Territorialität wieder eine größere Rolle. Gegenüber eher sektoral ausgerichteten Projekten, sollen wieder verstärkt raumrelevante oder ortsbezogene Projekte gefördert werden, die Städte oder Regionen mit ähnlichen Herausforderungen zusammenbringen, um durch integrierte Ansätze gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Wie zeigt sich das im Nordwesteuropa-Programm?

Im Interreg-Programm Nordwesteuropa war und ist die Überlegung: Der Weg zu resilienten Regionen (ökologisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich etc.) führt über die Befähigung und Mitnahme aller relevanten Akteure auch dazu, langfristig gut aufgestellt sein zu können. Neue, nur sektorale Ansätze und Technologien führen zu Insellösungen, die sicher gut sind, aber ihre Möglichkeiten werden so nicht voll ausgeschöpft. Es braucht auch strategische Ansätze und Pläne zur Umsetzung, die gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden. Partnerschaften sollten dabei nicht nur international sein und sich dadurch auszeichnen, dass sich die Partner in ihren Herausforderungen ergänzen, sondern die Partner sollten auch aus verschiedenen Bereichen kommen: Kommunen, Unternehmen, Universitäten etc. oder auch Gesundheitswesen, Design und Wirtschaftsförderung. Dadurch fließen bei der Entwicklung von Lösungen und Ansätzen die regionalen Bedarfe und die Ideen usw. aller Projektpartner ein und die Ergebnisse sind besser übertragbar.

Dieser Anspruch spiegelt sich auch in den Indikatoren, mit denen die Projektergebnisse gemessen werden. Wir messen in dieser Förderperiode am Ende der Projekte deren Erfolg nicht mehr nur an den sektoralen Ergebnissen (eingespartes CO2, unterstütze Unternehmen, geschaffene Jobs oder wiederverwendete Ressourcen), sondern auch daran, ob die (regional) relevanten Akteure durch das Projekt befähigt und mitgenommen wurden und die beteiligten Regionen langfristig gut aufgestellt sind und resilienter werden. Solche „weicheren“ Indikatoren sind etwa gemeinsam entwickelte Strategien und Aktionspläne, neue technologische und nicht-technologische Lösungen, Schulungen und Bewusstseinsbildung, oder die Anzahl von Akteuren mit erhöhten Kapazitäten aufgrund ihrer Teilnahme an grenzüberschreitenden Projekten. Diese Art der zukünftigen Messung des Projekterfolgs, gibt den Projekten so hoffentlich mehr Möglichkeiten strategisch und integriert zu handeln.

Und wie kann es gelingen, auch kleinere Städte oder Kommunen für die transnationale Zusammenarbeit als Partner zu gewinnen? Gerade kleinere Städte oder Kommunen verfügen über weniger personelle Ressourcen und auch weniger Erfahrungen, an denen sie anknüpfen könnten.

Ja, das ist wirklich problematisch, denn das Nordwesteuropa-Programm braucht Kommunen und Städte als Projektpartner, um das Ziel, Regionen widerstandsfähiger zu machen, zu erreichen. Insbesondere wenn Städte und Kommunen eine Projektidee sehr spannend finden und einen Mehrwert der transnationalen Zusammenarbeit für sich und ihre Zukunftsthemen sehen, ist es sehr schade, wenn sie aufgrund mangelnder Ressourcen und Erfahrungen die Antragstellung und Teilnahme am Projekt inkl. Abrechnung und Berichtspflichten scheuen.

Auf der anderen Seite sind viele Universitäten und Forschungseinrichtungen aber glücklicherweise daran interessiert, Nordwesteuropa-Projekte zu entwickeln und umzusetzen, denn für neue Ansätze brauchen wir innovative Ideen. Dies führt nur leider auch dazu, dass – obwohl das Programm kein Forschungsprogramm ist - Projektpartnerschaften teilweise wenig durchmischt sind und ein Konsortium auch mal zu 80% aus Forschungspartnern besteht. Die Anwendungsorientierung und Befähigung der relevanten Akteure bleiben dabei auf der Strecke.

Das Schöne ist, dass sich beide Gruppen gegenseitig helfen können und so insgesamt gute Projektpartnerschaften entstehen können. Universitäten und FuE-Einrichtungen sind es im Normalfall gewöhnt, Förderanträge zu schreiben und Projekte abzurechnen. Auch wenn Programme unterschiedlich sind, so gibt es doch zumindest keine Hemmungen. Auch das Sprachproblem existiert kaum. Englisch ist Wissenschaftssprache. Da es möglich ist, in Nordwesteuropa-Projekten mehr als einen deutschen Partner zu haben, sind deutsche Tandems aus Universitäten und Kommunen meiner Meinung nach ein möglicher Ansatz, um beiden Problemen zu begegnen: die Unis helfen den Kommunen beim Antragschreiben und die Kommunen bringen ihre Bedarfe und Perspektiven und ggf. Pilotstandorte für Umsetzungsaktivitäten in den Projekten ein.

Universitäten sind zudem international vernetzt (hierüber kommen oft Ideen), haben hier und da aber auch schon mit lokalen/regionalen Akteuren in Projekten oder Auftragsarbeiten zusammengearbeitet. Die Netzwerke gibt es also, man muss nur schauen, wie man sie auch für Interreg Nordwesteuropa nutzen kann, um gute Partnerschaften aufzubauen und förderfähige Anträge zu schreiben. Bei dem Aufbau von Tandems kann die nationale Kontaktstellen unterstützen.

Was ist Ihre Bilanz und Ihr ganz persönliches Highlight?

Es ist eine tolle Aufgabe, die viele Einblicke ermöglicht und bei der viel angestoßen werden kann. Schade ist sicherlich, dass nicht immer sichtbar ist, welchen Erfolg und Einfluss Interreg-Projekte langfristig haben. Das ist nicht immer messbar und wenn ein Projekt erstmal abgeschlossen ist, ist es nicht immer einfach, herauszufinden, wo und wie die Ergebnisse weitergenutzt werden. Ich finde es daher immer toll, wenn ich zufällig auf ein Projektlogo von vor zehn Jahren stoße und sehe, was alles mal mit einem Nordwesteuropa-Projekt angefangen hat. Eins davon ist beispielsweise das Europäische Gartennetzwerk. Innerhalb des Projekts wurden Ressourcen und Wissen ausgetauscht und Angebote und Leitlinien entwickelt, die sichern werden, dass der Gartenreichtum Europas durch regionale Gartenrouten und europäische Themenrouten, durch innovative Planungsstrategien, kulturlandschaftliche Vernetzung, durch verbesserte Zugänglichkeit sowie neue Informations- und Bildungsangebote gesichert und gesteigert wird.

Es gibt so viele Highlights - es ist nicht leicht nur eins zu nennen. Aber wenn ein Projekt, dass man in der Antragstellung intensiv beraten und begleitet hat, vom Begleitausschuss genehmigt wird, dann ist das ein tolles Gefühl und man freut sich mit dem neuen Projekt.

Weitere Informationen

Interreg North-West Europe 2021 – 2027

www.nweurope.eu

Deutsche Kontaktstelle Interreg B Nordwesteuropa

info@nwe-kontaktstelle.de

NWE-Kontaktstelle

Elisabeth Wauschkuhn

Foto von Elisabeth Wauschkuhn (Quelle: privat)

Elisabeth Wauschkuhn arbeitet beim Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz. Sie war dreieinhalb Jahre neben Kerstin Buttlar nationale Kontaktstelle für das Interreg-Programm Nordwesteuropa.