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Datum 12.01.2022 Interreg und die Territoriale Agenda 2030: Zukunft sichern in (Mittel)Europa

Christophe Ebermann vom Gemeinsamen Sekretariat des Interreg-Programms Mitteleuropa über den Beitrag des Programms zur Umsetzung der Territorialen Agenda

Kooperation in Mitteleuropa (Copyright: Interreg CENTRAL EUROPE)

Eine Zukunft für alle Orte! Dieses Ziel eint die Territoriale Agenda 2030 und transnationale Interreg-Programme in ganz Europa. Die Agenda definiert dabei den handlungsorientierten Rahmen zur Förderung des territorialen Zusammenhalts in Europa, und Interreg-Programme und -Projekte setzen konkrete Kooperationsschritte vor Ort um. Durch die finanzielle Förderung integrierter und partizipativer Lösungsansätze über Landesgrenzen hinweg leisten Interreg-Programme einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Prioritäten der Agenda. Wie das konkret in den Phasen der strategischen Planung und der praktischen Umsetzung ausschaut, zeigt das Interreg-Programm Mitteleuropa (Interreg CENTRAL EUROPE).

Territoriale Herausforderungen als Grundlage für transnationale Interreg-Kooperation

Strategische Schwerpunkte und Ziele für transnationale Zusammenarbeit basieren bei Interreg-Programmen auf einer inklusiven, territorialen Analyse des jeweiligen Programmraums. Programmstrategien werden dabei von Beginn an in enger Abstimmung mit lokalen und regionalen Stakeholdern erarbeitet und mit spezifischen Herausforderungen und Stärken der Regionen verknüpft. Dies trägt dazu bei, die Relevanz und Akzeptanz der Programmstrategien vor Ort zu stärken.

Der Programmraum Mitteleuropa liegt im Herzen Europas und umfasst rund ein Drittel der EU-Bevölkerung. Schon alleine geografisch betrachtet ist Mitteleuropa ein zentraler Knotenpunkt, der Ost und West verbindet, sowie Europas Norden und Süden. Darüber hinaus gibt es starke sozioökonomische und kulturelle Verbindungen in diesem funktionalen Raum, der lange Zeit durch den „Eisernen Vorhang“ geteilt war. Zudem ist Mitteleuropa mit globalen Herausforderungen konfrontiert, die alle Regionen direkt betreffen, wie zum Beispiel die Anpassung an den Klimawandel und der notwendige Übergang zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienten und resilienten Wirtschaft.

Vor diesem Hintergrund ist die strategische Förderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit essenziell, um in Mitteleuropa Zukunft zu sichern. Die bereits existierenden regionalen Verflechtungen und Netzwerke wurden dabei erst kürzlich in der ESPON-Studie „https://www.espon.eu/ce-flows” genauer analysiert und haben die Funktionalität des Programmraums untermauert. Zugleich wurde festgestellt, dass Mitteleuropa von einem Ausbau der bestehenden Zusammenarbeit und einer damit verstärkten Integration deutlich profitieren würde (siehe https://www.espon.eu/ce-flows).

Neben den großen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch strukturelle Unterschiede im Programmraum, die durch transnationale Zusammenarbeit im Rahmen von Interreg mittel- und langfristig abgefedert werden können. Dies betrifft insbesondere Regionen mit wachsenden städtischen und industrialisierten Gebieten auf der einen Seite und ländlichen oder peripheren Gebieten auf der anderen Seite, die häufig durch eine geringere Wettbewerbsfähigkeit und einen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet sind (siehe folgende Kartengrafik).

Regionale Disparitäten in Mitteleuropa (Quelle: Die Karten wurden im Rahmen der Programmierung von Interreg CENTRAL EUROPE 2021-2027 vom “Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche”, auf Basis von “Eurostat”-Daten, erstellt.)

Phase 1: Die Territoriale Agenda 2030 als Orientierung für Interreg-Programmstrategien

Das Interreg-Programm Mitteleuropa unterstützt seit 25 Jahren transnationale Kooperation in diesem Raum. Das Programm fördert seit jeher Kohäsion und eine ausgewogene und nachhaltige territoriale Entwicklung. Das neue Programm folgt dieser Tradition und zielt in den Jahren bis 2027 darauf ab, eine vertrauensvolle Kultur der Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg zu schaffen.

Wie zuvor erwähnt, basiert die Programmstrategie grundlegend auf einer Analyse der territorialen Chancen und Herausforderungen der Regionen im Programmraum. Darüber hinaus orientiert sich das Programm in seiner strategischen Ausrichtung aber auch stark an den Prinzipien der Territorialen Agenda 2030.

Die in der Agenda geforderte Stärkung der territorialen Dimension und der ortsbezogene Ansatz der Politikgestaltung wurden in der Programmstrategie berücksichtigt. Die Programmstrategie baut dabei auf Ergebnissen der territorialen Analyse auf und wurde durch Beiträge zahlreicher Experten und Expertinnen und einen mehrstufigen Konsultationsprozess von Stakeholdern und relevanten Partnern in den Programmregionen definiert. Sie ist somit spezifisch für den Programmraum in einem partizipativen Gestaltungsprozess entworfen worden. Weitere Informationen über die einzelnen Programmierungsschritte, die Beteiligungsprozesse und Hintergrunddokumente, wie zum Beispiel der territorialen Analyse, finden sich auf der https://www.interreg-central.eu/Content.Node/discover/InterregCE2021.html.

Dank dieser klaren strategischen Ausrichtung ist inhaltlich ein deutlicher Beitrag zur Erreichung der territorialen Prioritäten der Territorialen Agenda 2030 durch die geförderten Projekte zu erwarten. Die enge Verknüpfung der beiderseitigen Ziele wird in der folgenden Gegenüberstellung ersichtlich.

Gegenüberstellung der Programmziele des Interreg-Programms Mitteleuropa und der Territorialen Agenda 2030 (Quelle: Interreg CENTRAL EUROPE IP-Dokument und Territoriale Agenda 2030)

Grundsätzlich strebt das Programm mit seiner transnationalen Förderung ein besser integriertes und geeintes Mitteleuropa an, in dem Regionen und Städte zusammenarbeiten, um gemeinsam intelligenter, grüner und besser vernetzt zu werden. Diese Vision zielt auf eine Überbrückung der territorialen Disparitäten ab und ist im Einklang mit dem übergeordneten Ziel der Territorialen Agenda 2030 „Ein gerechtes Europa, das allen Orten und Menschen Zukunftsperspektiven bietet“.

Geförderte Projekte in allen Themenfeldern des Programms sollen transnationale Kooperationsmaßnahmen anstoßen, wie zum Beispiel die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von Strategien, Pilotmaßnahmen und konkreten Lösungsansätzen. Dies entspricht direkt der Priorität der Territorialen Agenda 2030 „Integration über Grenzen hinweg“ und unterstützt die territoriale Zusammenarbeit zwischen Orten und Institutionen in verschiedenen Ländern.

Ähnliches gilt für die beiden weiteren Prioritäten, ein „Ausgewogenes Europa“ und „Funktionale Regionen“, da die geförderten Projekte durch den initiierten Wissensaustausch und der daraus resultierenden Stärkung der regionalen Kapazitäten zu einem Abbau der territorialen Disparitäten, einer ausgewogenere Regionalentwicklung beitragen und somit den funktionalen Raum Mitteleuropas stärken.

Besonders hervorzuheben ist hierbei zum Beispiel die Priorität 1 „Kooperation für ein intelligenteres Mitteleuropa“, die unter anderem auf die Stärkung der Innovationskapazitäten sowie der menschlichen Kompetenzen, insbesondere für den Übergang zu Industrie 4.0, zur Digitalisierung und einer grünen Wirtschaft abzielt. Auch die Programmpriorität 3 „Ein stärker vernetztes Europa durch Zusammenarbeit“ spielt dabei eine gewichtige Rolle, da hierbei explizit die bessere Anbindung von ländlichen und peripheren Regionen in Mitteleuropa angestrebt wird.

Hinsichtlich des zweiten übergeordneten Ziels der Territorialen Agenda 2030, „Ein grünes Europa, das gemeinsame Lebensgrundlagen schützt und gesellschaftliche Transformation gestaltet“, ist ein direkter Beitrag des Programms Mitteleuropa ebenso klar ersichtlich, da alle geförderten Projekte in allen Themenbereichen die horizontalen Prinzipien der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes berücksichtigen müssen. Hinzu kommt, dass mehr als die Hälfte der programmspezifischen Ziele in der Programmpriorität 2 „Kooperation für ein grüneres Mitteleuropa“ angesiedelt sind, in der neben der Unterstützung der Energiewende auch die Förderung der Kreislaufwirtschaft, Umweltschutz, eine umweltfreundliche städtische Mobilität und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel gestärkt werden.

Schließlich ist noch die Programmpriorität 4 zu erwähnen, welche durch ihren integrierten und ortsgebundenen Lösungsansatz direkt die Grundprinzipien der Territorialen Agenda 2030 aufgreift und mit ihrem spezifischen Ziel eine „Stärkung der Governance für eine integrierte räumliche Entwicklung in Mitteleuropa“ anstrebt. Hierbei sollen komplexe territoriale Herausforderungen, wie zum Beispiel der demografische Wandel, durch integrierte Mehrebenen- und sektorübergreifende Governance-Prozesse, die funktionale Verknüpfungen auf räumlicher Ebene berücksichtigen, bewältigt werden.

Phase 2: Die Berücksichtigung der Prioritäten der Territorialen Agenda 2030 in Interreg-Projekten

Das Interreg-Programm Mitteleuropa ist überzeugt, dass ortsgebundene, territorial verankerte Projekte am effektivsten zur Erreichung der Programmziele beitragen, insbesondere wenn diese von kompetenten lokalen und regionalen Partnerschaften getragen werden. Daher setzt das Programm in seiner praktischen Umsetzung, wie auch zahlreiche andere Interreg-Programme, auf eine “Bottom-Up-Strategie” in der Projektentwicklung.

Das bedeutet, dass das Programm den thematischen Rahmen vorgibt und die Kooperationswerkzeuge (wie zum Beispiel eine vordefinierte Output-Typologie) zur Verfügung stellt. Die Projektträger und -trägerinnen erhalten dann aber den Spielraum, Projekte entsprechend der konkreten lokalen und regionalen Bedürfnisse zu entwickeln, wodurch die ortsbezogene Relevanz und die regionale Verankerung der Projekte gewährleistet wird. Dies führt dazu, dass die Integration der Ziele der Territorialen Agenda 2030 nicht nur in der Programmstrategie, sondern auch in der konkreten Umsetzung des Programms gewahrt wird.

Um die praktische Umsetzung der Prinzipien der Territorialen Agenda 2030 voranzutreiben, engagiert sich das Mitteleuropa-Programm auch aktiv in einer programmübergreifenden und von Interact geleiteten Arbeitsgruppe zum Thema Territorialität. In dieser wird konkret der Frage nachgegangen, wie die territoriale Komponente in Interreg-Programmen und -Projekten weiter gestärkt und die Territoriale Agenda 2030 in diesen weiter operationalisiert und integriert werden kann. Im Rahmen dessen wurde das Programm von der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft im Oktober 2021 eingeladen, die Integration der Prioritäten der Territorialen Agenda in einer Sitzung der Generaldirektoren und Generaldirektorinnen für territorialen Zusammenhalt zu präsentieren.

Mit der Eröffnung des ersten Projektaufrufs Ende 2021 wurde zuletzt die Umsetzung des neuen Programms entscheidend vorangetrieben. Seit 15. November 2021 können bis einschließlich 23. Februar 2022 transnationale Projektideen aus dem gesamten Programmraum zur Förderung eingereicht werden. Die mit ca. 72 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten neuen Projekte werden voraussichtlich im Januar 2023 starten können und durch ihre Kooperation die Entwicklung von Mitteleuropa in allen strategischen Prioritäten stärken, inklusive der Prioritäten der Territorialen Agenda 2030.

Weitere Informationen zum Programm:

https://www.interreg-central.eu/

Informationen zum ersten Projektaufruf:

https://www.interreg-central.eu/Content.Node/apply/newfunding.html

Christophe Ebermann

Christophe Ebermann (© Christophe Ebermann)

Christophe Ebermann ist stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung “Monitoring und Evaluation” im Gemeinsamen Sekretariat des Interreg-Programms CENTRAL EUROPE mit Sitz in Wien. Auf Projektebene betreut er Umwelt- und Kulturprojekte und widmet sich im neuen Programm verstärkt den Themen Anpassung an den Klimawandel sowie Governance. Auf Programmebene ist er eng in die Programmierung eingebunden und begleitet auch die Programmevaluationen.